Zur aufsichtsrechtlichen Behandlung von elektronischen Wertpapieren und Krypto-Token – ein Gastbeitrag von Dr. Sven Hildebrandt, DLC Distributed Ledger Consulting GmbH, Hamburg

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Hintergrund:

„Krypto-Token“, „Blockchain-Technologie“, „Smart Contracts“ sowie „elektronische Wertpapiere“ sind derzeit allgegenwärtige Begriffe. Nun wurden der Fachöffentlichkeit durch ein vom Bundesministerium der Finanzen (BMF) gemeinsam mit dem Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) aktuell veröffentlichtes „Eckpunktepapier für die regulatorische Behandlung von elektronischen Wertpapieren und Krypto-Token“ Diskussionspunkte zu (aufsichts-)rechtlichen Fragestellungen in diesem Kontext zur Kenntnis gegeben.

Distributed-Ledger-Technologien (DLT), die beispielsweise die Basis für „Blockchains“ bilden, ermöglichen es, Geschäftsprozesse in digitaler Form abzubilden. Hierbei schließen miteinander vernetzte Rechner eine Übereinkunft über die Reihenfolge und Aktualisierung bestimmter Transaktionen. Die Vorstellung eines „verteilten Registers“ (Distributed Ledger) besteht vor dem Hintergrund, dass jeder vernetzte Rechner über sämtliche Eintragungen (Daten) aller Transaktionen verfügt. Dies hat wiederum zur Folge, dass Distributed Ledger das Potenzial haben, viele Industrien maßgeblich zu verändern – wobei von diesem Disruptionsprozess zunächst und besonders nachhaltig die Finanzmarktakteure betroffen sein werden. Grund hierfür ist, dass die genutzten kryptografischen Verfahren in Kombination mit verteilten („distributed“) Netzwerken fundamentale Funktionen des aktuellen Finanzsystems überflüssig machen. Im Kern betrifft dies all jene Geschäftsvorfälle, bei denen zwei Parteien miteinander interagieren, die sich gegenseitig nicht zu 100 Prozent vertrauen (können) – eine Konstellation, die im üblichen Geschäftsgebaren wohl eher die Regel als die Ausnahme darstellt. Die Finanzdienstleister übernehmen in dieser Konstellation die Funktion des vertrauensstiftendenden Intermediärs, wofür sich diese gerechtfertigterweise bezahlen lassen.

Soll angesichts der Begebung von Wertpapieren in elektronischer Form und des Potenzials von DLT ein aufsichtsrechtlicher Rahmen geschaffen werden, um das regulatorische Instrumentarium zur Marktintegrität, zum Anlegerschutz oder zur Geldwäscheprävention beizubehalten und aufsichtsrechtliche Arbitrage zu verhindern? Und wenn ja, wie? Die vorliegenden und veröffentlichten Stellungnahmen zum Eckpunktepapier von Verbänden und interessierten Fachkreisen sind zahlreich, wobei die in vielen Stellen konsensuale Meinung der unterschiedlichen Teilnehmer vor dem Hintergrund der großen Auswirkungen auf manche Marktakteure durchaus überrascht.


Aktuelle Entwicklungen:

Wie dem Koalitionsvertrag zu entnehmen ist, hat die Bundesregierung das Potenzial von Distributed-Ledger-Technologien erkannt und die Entwicklung einer „Blockchain-Strategie“ weit oben auf der politischen Agenda platziert. Darüber hinaus bekräftigte die Bundesregierung zugleich ihre Zielsetzung, Deutschland zu einem der führenden Digitalisierungs- und FinTech-Standorte entwickeln zu wollen.


Das „Eckpunktepapier“:

Mit dem Eckpunktepapier für die „regulatorische Behandlung von elektronischen Wertpapieren und Krypto-Token“ stellten die bislang zuständigen Ministerien (BMF und BMJV) im März 2019 erste Einzelmaßnahmen zur Diskussion.

Nach Ablauf der Frist zur schriftlichen Stellungnahme Mitte April fand im Mai 2019 die mündliche Anhörung statt. Kern der Diskussion war die Frage, ob und welche Wert„papiere“ auch durch sogenannte „Token“ abgebildet werden können und wie die weitere Regulierung in diesem Feld ausgestaltet werden kann.

Im Rahmen der mündlichen Anhörung waren knapp 60 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus Verbänden und Vereinigungen zugegen. Wie bereits erwähnt, verlief die Diskussion insgesamt überraschend konsensual, wobei die Schaffung elektronischer Wertpapiere überwiegend begrüßt und das Eckpunktepapier insgesamt gelobt wurde. Vor dem Hintergrund, dass sich die Begebung von Wertpapieren in elektronischer Form zunächst auf Schuldverschreibungen beschränken soll, drängten viele Teilnehmer aber gleichzeitig auf die Inkludierung von Eigenkapitalinstrumenten.


Nächste Schritte:

Die Ministerien werden zunächst einen Referentenentwurf erstellen, der dann in ein Gesetzgebungsverfahren münden wird. Mit Blick auf die Zeitschiene war man nach der Anhörung zunächst von einem Entwurf Ende 2019/Anfang 2020 ausgegangen. Verschiedene Vertreter der Fachöffentlichkeit gehen allerdings von einem deutlich früheren Zeitpunkt aus.


Einschätzung:

Dass die Papierform für Wertpapiere fallen wird, ist nach der mündlichen Anhörung klar. Fraglich bleibt, ob der Referentenentwurf im ersten Schritt auch Eigenkapitalinstrumente inkludieren wird. Spannend ist diese Fragestellung insofern, als dass in anderen Jurisdiktionen, wie beispielsweise Liechtenstein, bereits zukunftsweisendere Gesetzgebungen vorhanden sind, die regulatorische Arbitrage schon heute zur Regel werden lassen. Damit kann auch das erklärte Ziel der Bundesregierung, Deutschland zu einem „FinTech-Hub“ zu machen, gefährdet werden. Ein zögerliches Handeln in Deutschland würde zudem letztlich auch den Verbraucher nicht schützen, da dieser mit seinem Anlagewunsch einfach in eine andere Jurisdiktion wechseln kann.


Handlungsbedarf:

Dass die Distributed-Ledger-Technologie nicht nur die Finanzwelt fundamental verändern wird, ist mittlerweile auch in den obersten Ebenen der Regierungen und Unternehmen angekommen.

Darüber hinaus ist klar, dass die Veränderungen schneller kommen werden, als viele aktuell noch vermuten.

An dieser Stelle sei auf einen hohen Handlungsbedarf im Hinblick auf z. B. Geschäftsstrategien, Dienstleistungsangebot und technisch-organisatorische Ausstattung bei (Privat-)Banken, Kapitalverwaltungsgesellschaften, Asset Managern sowie Verwahrstellen hingewiesen, die sich jetzt unmittelbar mit den Themen auseinandersetzen sollten, um morgen nicht ins Hintertreffen zu geraten.

Sehr konkret zeigt sich dies im jüngst erschienenen ersten Entwurf für die Umsetzung der 5. Geldwäscherichtlinie, der für Verwahrstellen im Hinblick auf die nunmehr inkludierten „Kryptowerte“ sowohl fundamentale Chancen als auch Risiken birgt.


Autor:

Dr. Sven Hildebrandt, DLC Distributed Ledger Consulting GmbH, Hamburg

Veröffentlicht in Allgemein, Campus4Business, Rechtsberatung, Wirtschaftsprüfung