BaFin-Konferenz zur „Nachhaltigen Finanzwirtschaft“

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Hintergrund:

Am 9. Mai 2019 fand im Umweltforum in Berlin die BaFin-Konferenz zur „Nachhaltigen Finanzwirtschaft“ statt. Für Bankenaufseher war Nachhaltigkeit lange Zeit Sache der Kapitalmärkte. Ziel dieser Veranstaltung war es nun, das Bewusstsein des Finanzsektors für die Risiken und auch Chancen zu schärfen, die mit klimatischen, ökologischen und sozialen Veränderungen einhergehen und einen Überblick über aktuelle europäische Regulierungsvorhaben und die aufsichtlichen Ansätze der BaFin zu geben. Referenten aus Aufsicht, Politik, Wissenschaft und Finanzindustrie beleuchteten in ihren Vorträgen und Diskussionen die Risiken des Klimawandels für Umwelt und Gesellschaft und die Auswirkungen auf das Finanzsystem.


Risiken des Klimawandels für Umwelt und Gesellschaft:

Der Physiker, Astronom und Naturphilosoph Prof. Harald Lesch warnte in seinem spannenden und dynamischen Vortrag zum Klimawandel eindringlich vor den massiven Eingriffen durch den Menschen und die Gefahren der „Heißzeit“, auf die die Erde zusteuert. Auch die Vertreter der Versicherungswirtschaft und -aufsicht betonten, dass das Risiko einer Welt mit globaler Erwärmung völlig unberechenbar sei. So würden physische Risiken und Transitionsrisiken (Übergangsrisiken) maßgeblichen Einfluss auf Vermögenswerte und gesellschaftliche Strukturen haben. Physische Risiken könnten sich beispielsweise in Form von Schäden durch Stürme, Starkregen, Trockenheit und Meeresspiegelanstieg sowie in einer schleichenden Verschlechterung von Produktions- und Arbeitsbedingungen niederschlagen.

Die Europäische Union hätte sich deshalb aus gutem Grund im Rahmen des Pariser Klimaabkommens verpflichtet, die CO²-Emissionen bis 2030 um 40 Prozent gegenüber 1990 zu reduzieren. Um die drastischen Folgen des im Wesentlichen durch den ungebremsten Kohlendioxidausstoß verursachten Treibhauseffekts abmildern zu können, sei dementsprechend eine konsequente Dekarbonisierung unabdingbar. Diese könnte u. a. durch eine Änderung im Konsum- und Verkehrsverhalten, aber auch durch eine Kohlendioxidsteuer oder eine gezielte Verteuerung fossiler Brennstoffe vorangetrieben werden. Diese Maßnahmen und Verhaltensänderungen würden insbesondere für die Wirtschaft Unsicherheit in Form der sogenannten Transitionsrisiken bergen.      


Herausforderungen für Finanzinstitute und Bankenaufsicht:

Nach einhelliger Meinung der Referenten und Diskussionsteilnehmer erfordere der notwendige ökologische Umbau der Wirtschaft aufgrund der Kürze des noch zur Verfügung stehenden Zeitraums bislang nicht gekannte Anstrengungen. Diese beträfen auch den Bankensektor. Zwar wären Banken – im Gegensatz zu Versicherungsunternehmen – von direkten physischen Risiken i. d. R. nur in besonderen Situationen betroffen, wie z. B. im Fall eines Rechenzentrumausfalls infolge eines extremen Wetterereignisses, allerdings könnten die indirekten physischen Risiken bei den Finanzinstituten umso gravierendere Auswirkungen haben. So drohten den Banken Kreditausfälle bei Kreditnehmern, deren Einkommensgrundlage durch den Klimawandel gemindert oder vernichtet worden sei, ebenso wie bei einer Zerstörung von finanzierten Gebäuden oder Produktionsanlagen, vor allem wenn diese nicht mehr versicherbar wären. Die im Finanzsektor ebenfalls indirekt wirkenden transitorischen Risiken kämen insbesondere durch Bewertungsrisiken zum Tragen, zum Beispiel durch Immobilien- oder Unternehmenswertminderungen.

Die Banken stünden nunmehr vor der Herausforderung, die zu erwartenden Änderungen in ihrer Geschäftsstrategie und ihrem Risikomanagement zu berücksichtigen. Dabei seien Nachhaltigkeitsrisiken keine „eigene“ Risikoart, sondern würden sich in den Risikoarten niederschlagen, die bereits in den Mindestanforderungen an das Risikomanagement (MaRisk) verankert sind.

Bei Kredit- und Gegenparteiausfallrisiken zeigten sich die Nachhaltigkeitsrisiken sowohl in der Ausfallwahrscheinlichkeit des Kreditnehmers als auch beim Wert der Sicherheit. Marktrisikoveränderungen resultierten preisinduziert z. B. aus Verschlechterungen im Rating von Staaten, Regionen und Kommunen infolge von Klimaereignissen, aber auch durch Preisveränderungen im Handel mit Rohstoffen und im Emissionshandel. Letztlich müssten Kreditinstitute auch aus Reputationsgründen ihre Geschäftsbeziehungen zu emissionsintensiven Unternehmen hinterfragen.

Aus aufsichtsrechtlicher Sicht seien diese Entwicklungen genau zu beobachten, da aufgrund der Auswirkungen der erwartungsgemäß deutlich zunehmenden physischen und transitorischen Risiken nicht zu vernachlässigende Risiken für die Finanzstabilität bestünden. 


Ökonomisches Potenzial der notwendigen Veränderungen für den Finanzsektor:

Aus Sicht der Bankenaufseher und -vertreter könne und müsse die Finanzindustrie einen bedeutenden Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung leisten. Durch die Integration von Nachhaltigkeitsaspekten in Finanzmarktentscheidungen könnten auf der einen Seite potenzielle Kreditnehmer mit zukunftsfähigen umwelt- und klimafreundlichen Geschäftsmodellen identifiziert und gewonnen werden, auf der anderen Seite würden das Bedürfnis und die Nachfrage bezüglich nachhaltiger Finanzprodukte seitens der Kunden und der Banken selbst weiter zunehmen. Diese positive Entwicklung könne die Finanzindustrie aktiv begleiten und damit nachhaltige Investitionen fördern und zugleich eigene Marktchancen nutzen. Schätzungen zufolge sei der Finanzierungsbedarf zur Erreichung der Klimaschutzziele, auf die sich die Mitgliedsstaaten der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen am 12. Dezember 2015 in Paris verständigt haben, enorm. Allein der Energiesektor und die damit verbundene Infrastruktur in der EU benötigten jährlich 175 bis 290 Milliarden Euro.


Welche regulatorischen Änderungen sind zu erwarten?

Als regulatorischer Rahmen zur Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsaspekten eigne sich nach Auffassung der Bankenaufseher das Baseler Regelwerk mit seinen drei Säulen. Um dem Informationsbedürfnis von Anlegern über die Nachhaltigkeit von Finanzprodukten gerecht zu werden, könnten die Werkzeuge zu den Transparenzvorgaben der Säule 3 genutzt werden. Bereits Anfang März 2019 erfolgte die vorläufige Einigung auf neue nachhaltigkeitsbezogene Transparenzpflichten für Finanzunternehmen, die zukünftig einen Beitrag zur Stärkung nachhaltiger Finanzierungen leisten sollten. Für das Europäische Parlament sei von zentraler Bedeutung, dass sowohl finanzielle Risiken bei Investitionsentscheidungen als auch die Berücksichtigung von Auswirkungen auf Nachhaltigkeitsfaktoren transparent gemacht würden. Der gefundene Kompromiss trage der Proportionalität dadurch Rechnung, dass kleine und mittlere Finanzunternehmen auch angeben könnten, dass sie diese zusätzlichen Auswirkungen nicht berücksichtigen würden (Report-or-explain-Ansatz). Mit dem Inkrafttreten der Verordnung sei allerdings erst im Herbst 2019 zu rechnen.

Ein weiterer Vorschlag der Europäischen Kommission beträfe die Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsaspekten im Rahmen der Kundenberatung durch Wertpapierfirmen, Versicherungsvermittler und Versicherungsunternehmen. Die entsprechenden Entwürfe zu Änderungen bestehender delegierter Rechtsakte hätte die Europäische Kommission bereits veröffentlicht und konsultiert. Wichtig sei zudem die Entwicklung einer Taxonomie im Sinne einer Common Language, welche die Finanzmarktakteure bei dem Verständnis über die Dimensionen von Nachhaltigkeit und dem Umgang mit den Zielkonflikten unterstütze.

Mit Blick auf die Integration von Aspekten der Nachhaltigkeit in den aufsichtlichen Überprüfungs- und Bewertungsprozess (Säule 2) seien aus Sicht der Bankenaufsicht die notwendigen Grundlagen bereits im Kreditwesengesetz und den MaRisk gelegt. So beinhalteten alle bisher von der Bankenaufsicht berücksichtigten Risikoarten auch einen Nachhaltigkeitsrisikobezug.

Folglich sei es der Aufsichtsansatz der BaFin und der Deutschen Bundesbank, zu überprüfen, ob auch Umwelt- und Klimarisiken für Finanzmarktakteure (und deren Kunden) angemessen berücksichtigt werden. Vor diesem Hintergrund werde die BaFin ihre Vorstellungen von der konkreten Integration von Nachhaltigkeitsrisiken zunächst als Erwartungen mit Empfehlungscharakter formulieren und öffentlich konsultieren. Die Herausgabe eines entsprechenden Merkblatts sei bis Jahresende 2019 geplant.

Kritisch stünde die Aufsicht dagegen der diskutierten Einführung des sogenannten „green supporting factor“ zur Berücksichtigung bei den Kapitalanforderungen der Säule 1 gegenüber. Eigenkapitalanforderungen zu reduzieren, allein aufgrund der Definition von Anlagen oder Krediten als „nachhaltig“ ohne den Nachweis eines damit einhergehenden finanzaufsichtlich geringeren Risikos, widerspräche dem Ziel der Finanzmarkstabilität.

Insgesamt forderten alle Referenten und Diskussionsteilnehmer der Konferenz von der Kreditwirtschaft mehr Mut und Willen zur Umsetzung und ein deutlich erhöhtes Engagement bei der Bewältigung der Herausforderungen durch den Klimawandel.

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