„Verhältnismäßigkeit und Subsidiarität in der Bankenaufsicht und -regulierung“ – Bericht über die BaFin-Konferenz

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Hintergrund

Am 24. Januar 2019 fand in Bonn die Konferenz zur Verhältnismäßigkeit und Subsidiarität in der Bankenaufsicht und -regulierung statt, die von der BaFin in Kooperation mit dem European Banking Institute (EBI) ausgerichtet wurde. Im Blickpunkt stand das Thema Proportionalität, das für die BaFin aufgrund der besonderen Struktur des deutschen Bankenmarkts mit einem hohen Anteil kleiner und mittelgroßer Institute von besonderer strategischer Bedeutung ist. Referenten aus Aufsicht, Wissenschaft, Industrie, Verbänden und der Rechtsberatung beleuchteten in ihren Vorträgen und in Diskussionen unter anderem die Stellung des Verhältnismäßigkeitsprinzips, den Komplexitätsgrad der europäischen Regulierung und neue Ansätze zur Bewahrung einer diversifizierten Bankenlandschaft.

Wie ist die hohe Regulierungsdichte zu erklären?

Die Referenten und Diskussionsteilnehmer erzielten Einigkeit darüber, dass die Komplexität der Bankenregulierung für kleine und mittlere Institute deutlich zu hoch ist und diskutierten mögliche Lösungsansätze auf nationaler und europäischer Ebene.

Die Vertreter der BaFin und Bundesbank betonten, dass die Möglichkeiten der BaFin für nationale Alleingänge nur noch sehr beschränkt gegeben seien. Vielmehr würden die bankaufsichtlichen Anforderungen an die Kreditinstitute auf europäischer Ebene entschieden werden. Gleichzeitig räumten die Referenten ein, dass die in Basel definierten Vorhaben für international tätige, große Banken gelten würden, der europäische Gesetzgeber zahlreiche dieser Anforderungen jedoch an alle Institute stellen würde, um einheitliche Wettbewerbsbedingungen im Sinne eines „level playing field“ zu schaffen. Gerade der deutsche Bankenmarkt sei durch eine große Anzahl kleiner Institute geprägt. 70 Prozent der Less Significant Institutions (LSIs) der EU hätten ihren Sitz in Deutschland. Dadurch seien die für große Banken konzipierten regulatorischen Vorgaben für den deutschen Bankenmarkt nicht immer passend. Zudem arbeiteten verschiedene europäische Behörden – und in diesen wiederum Fachreferate – an der Ausarbeitung und Umsetzung von Regelwerken, sodass aufgrund des Umfangs und der Detailtiefe der vielen unterschiedlichen Dokumente Überschneidungen und widersprüchliche Anforderungen bestehen würden. Die Behebung erkannter Defizite oder Regelungslücken würde wiederum zu einer steigenden Anzahl an Änderungen und Neuregulierungen führen, und das in immer kürzer werdenden Abständen.     

Vor welchen Herausforderungen stehen die Banken und ihre Aufseher?

Nach Auffassung der Referenten der BaFin und der Vertreter der Bankenverbände sehen sich Aufsicht und Banken insbesondere hinsichtlich des aktuellen Regelwerks folgenden Herausforderungen gegenüber:

  • Der notwendige Überblick über Inhalt, Sinn und Zweck der Regelungen fehlt.
  • Die Anforderungen sind ohne Expertenwissen nicht mehr verständlich und handhabbar.
  • Die Regelungen sind teilweise inkonsistent.
  • Die Compliance-Kosten stehen – gerade bezogen auf kleinere Institute – in keinem adäquaten Verhältnis mehr zum eigentlichen Zweck und Nutzen.
  • Regulierung wird mehr und mehr zum Selbstzweck.

Hervorgehoben wurde jedoch ebenfalls, dass die Regulatorik nicht die größte Herausforderung für die deutschen Banken sei. Vielmehr müssten sich die Institute die Frage stellen, ob ihr Geschäftsmodell noch tragfähig ist. Ursächlich für die Schieflage von Banken in den letzten Jahren seien nicht die bankaufsichtlichen Anforderungen gewesen, sondern zu hohe, schlagend gewordene Risiken und ein Management, das nicht selten von einem „übermäßigen Selbstvertrauen“ geprägt gewesen sei. Im Falle einer erneuten Finanzmarktkrise würden die durch eine Deregulierung entstehenden Kosten die Kosten einer strengeren Regulierung bei Weitem übersteigen.    

Weiterhin wird sich der Bankenmarkt durch eine voranschreitende Digitalisierung, eine Aufspaltung der Wertschöpfungskette und die zunehmende Inanspruchnahme von Outsourcinglösungen verändern. Auf die daraus resultierenden Risiken und administrativen Hürden wird die Aufsicht durch eine adäquate Regulatorik reagieren müssen.

Welche Ansätze für eine adäquate Regulierung könnten genutzt werden?

Nach Auffassung der Vertreter der Aufsicht gibt es zum risikosensitiven Ansatz keine Alternative. Die Forderung des Bankensektors nach Deregulierung für kleinere Institute sei insofern nicht haltbar, dass unabhängig von der Institutsgröße bei gleichem Geschäft und gleichem Risiko auch gleiche Regeln gelten müssten. Bei kleinen und mittleren Instituten habe sich das Maß der aufsichtlichen Anforderungen also vielmehr nach dem jeweiligen Risiko zu richten.

Die deutsche Bankenaufsicht würde ihre Möglichkeiten einer verhältnismäßigen Aufsicht jedoch bereits jetzt nutzen. Dies beträfe weniger die Frage, „ob“ eine Regelung anzuwenden sei, sondern eher „wie“.

Darüber hinaus könnten folgende Maßnahmen zu einer Reduzierung der Komplexität in der Regulierung beitragen:

  • Gesamtwerk der Regulierung auf Erforderlichkeit prüfen
  • Höheres Abstraktionsniveau
  • Entschleunigung
  • Kosten-Nutzen-Analysen
  • Schaffung einer angemessenen Aufsichtsstruktur

Inwiefern diesbezügliche Lösungsansätze in der europäischen Aufsicht diskutiert und vereinbart werden könnten, ist aktuell nicht abzusehen.

Die Institute selbst hätten nach Ansicht der Experten aus Wissenschaft und Praxis jedoch wenig Handlungsspielraum, um gegen die Überregulierung ihrer Häuser vorzugehen. Die bisherigen EuGH-Urteile hätten gezeigt, dass Institute mit ihrer Klage auf offensichtliche Verstöße von EU-Regelungen gegen den Gleichheits- und Freiheitsgrundsatz nur wenig Aussicht auf Erfolg hätten.

Welche Erleichterungen sind für kleine und mittlere Institute zu erwarten?

Auf dem Prüfstand stünden derzeit u. a. Erleichterungen bei den Regelungen zur Offenlegung, zur Vergütung und zu den Meldepflichten. Im Dezember 2018 hatten sich die EU-Finanzminister im sog. Bankenpaket darauf geeinigt. Konkret bedeutet dies für kleine und wenig komplexe Bankinstitute mit einem Bilanzschwellenwert von 5 Milliarden Euro, einem kleinen Handelsbuch und einem geringen Derivategeschäft:

  • Reduzierung der Offenlegungspflichten (nur noch jährliche Offenlegung bestimmter Kennzahlen zu Eigenmitteln, Verschuldungsgrad (Leverage Ratio) und Liquiditätsausstattung sowie ggf. zu bail-in-fähigen Verbindlichkeiten (MREL))
  • Vereinfachte Meldestandards (Reduzierung des Aufwands um mind. 10 Prozent, idealerweise 20 Prozent)
  • Nur noch jährliche Abgabe der FINREP-Meldung
  • Vereinfachte Berechnungsmethode der NSFR (simplified Net Stable Funding Ratio, sNSFR)
  • Ausweitung des KMU-Korrekturfaktors
  • Vereinfachung bei der Berechnung des Zinsänderungsrisikos
  • Erleichterungen bei der Ausgestaltung der variablen Vergütung

Wichtig sei nun, dass nach der politischen Einigung nun möglichst schnell die Umsetzung in geltendes Recht erfolge. Berücksichtigt werden müsse in jedem Fall, dass eine harte Anwendungspflicht der vollumfänglichen Regelungen für Institute, die aus den Schwellenwerten „herauswachsen“, durch Übergangsregelungen abgepuffert wird.

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