Hintergrund
ǀ Die Europäische Kommission hat am 30. Juni 2021 einen Vorschlag zur Reform der bisherigen Verbraucherkreditrichtlinie (2008/48/EG) veröffentlicht. Die letzte Überarbeitung dieser Richtlinie fand 2008 statt und war bis zum 12. Mai 2010 in nationales Recht umzusetzen. Der Reformvorschlag zur neuen Verbraucherkreditrichtlinie (COM (2021) 347 final, 2021/0171 (COD)) ist deutlich umfassender ausgestaltet als die bisherige Richtlinie. Dies ist dem Umstand des stetig steigenden Digitalisierungsdrucks und neuer Produkte ebenso geschuldet wie dem Wunsch, Informationsüberflutung zu vermeiden und den EU-Binnenmarkt zu verwirklichen.
Zudem wird die Vermeidung bzw. die Klarstellung von Überschneidungen mit anderen Gesetzestexten angestrebt. Hierzu findet insbesondere die ebenfalls konsultierte Richtlinie über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen (2002/65/EG) Erwähnung. Die Bestimmungen der neuen Verbraucherkreditrichtlinie sollen im Falle eines Widerspruchs als lex speciales zur Richtlinie über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen gelten.
Inhalte und Änderungen
Im Folgenden geben wir Ihnen einen Einblick in die Bereiche mit den aus unserer Sicht interessantesten Änderungsvorschlägen:
1. Anwendungsbereich
Eine große Bedeutung haben in dem Reformvorschlag Crowdfunding-Kreditdienstleistungen und andere neue Kreditformen (z. B. Peer-to-Peer-Kredite, Payday Loans), da diese auf einer öffentlich zugänglichen Plattform die Zusammenführung potenzieller Kreditgeber und Verbraucher fördern. Sofern dem Verbraucher über die digitalen und öffentlich zugänglichen Plattformen direkt Kredite angeboten werden, hat der Crowdfunding-Kreditdienstleister die Anforderungen der Richtlinie anzuwenden und ist als Kreditgeber anzusehen. Andernfalls sind die Bestimmungen für Kreditvermittler anzuwenden.
Die bisherige Verbraucherkreditrichtlinie sah in Art. 2 Abs. 2d eine Ausnahme für Kreditleasingverträge vor. Diese soll nach dem aktuellen Reformvorschlag entfallen, sodass die Regelungen künftig auch auf diese Art der Finanzierungsverträge anzuwenden sind.
Weiterhin entfällt die Mindestgrenze von EUR 200, was eine Angleichung an das bestehende deutsche Recht darstellt, wonach bisher keine betragsmäßige Untergrenze festgelegt war.
2. Vorvertragliche Informationspflichten
Eine wichtige Klarstellung findet sich im Bereich der vorvertraglichen Informationspflichten. Hier legte die Europäische Kommission nach Diskussionen mit den Verbänden fest, dass die vorvertraglichen Informationspflichten dem Verbraucher eine fundierte Entscheidung durch eindeutige Konditionsvergleiche ermöglichen sollen und nicht der Erläuterung von Vertragsinhalten dienen.
Hierzu hat die Europäische Kommission das Standardisierte Informationsblatt gekürzt, allerdings nur um fünf Felder auf nunmehr 30. Diese Reduzierung wirkt auf die Verbände wie eine halbherzige Umsetzung der erbetenen Klarstellung.
Die wichtigste Änderung in diesem Zusammenhang ist die klare Festlegung zum Übergabezeitpunkt der vorvertraglichen Informationen. Diese sind dem Verbraucher nach dem neuen Vorschlag in Art. 10 Abs. 1 einen Tag vor dem Zeitpunkt zur Verfügung zu stellen, zu dem er an das Angebot gebunden ist.
Daneben hat der Kreditgeber dem Verbraucher nach dem Reformvorschlag ein weiteres Dokument auszuhändigen, den sogenannten One-Pager. Er soll auf einer Seite die wesentlichen Informationen über den Kreditvertrag darstellen. Diese Quasi-Zusammenfassung der vorvertraglichen Informationen muss folgende sechs Elemente enthalten:
- Gesamtkreditbetrag
- Laufzeit des Kreditvertrags oder des Vertrags über die Erbringung von Crowdfunding-Kreditdienstleistungen
- Sollzinssatz
- Effektiver Jahreszins und vom Verbraucher zu zahlender Gesamtbetrag
- Barpreis, bei Krediten in Form von Zahlungsaufschüben für Waren oder Dienstleistungen
- Kosten bei Zahlungsverzug
Auch in diesem Bereich ist daher mit entsprechendem Anpassungsbedarf im Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch zu rechnen.
3. Kreditwürdigkeitsprüfung
Die Anforderungen zur Kreditwürdigkeitsprüfung sollen sich den bereits bekannten Anforderungen aus der Wohnimmobilienkreditrichtlinie (RL 2014/17/EU) angleichen. In diesem Zuge soll eine Kodifizierung des Inhalts der EBA-Leitlinien zur Kreditvergabe und -überwachung stattfinden und diese somit zu europäischem Primärrecht werden.
Darüber hinaus spricht der Reformvorschlag dem Verbraucher verbindliche Rechte zu, wie z. B. das Recht auf Erläuterungen des Kreditgebers zur Kreditwürdigkeitsprüfung. Dieses schließt auch Aussagen zur Logik der Prüfung und zur automatisierten Verarbeitung der personenbezogenen Daten ein. Weiterhin ist der Verbraucher umgehend über die Ablehnung des Kreditantrags zu unterrichten, wenn sich die Ablehnung auf die Kreditwürdigkeitsprüfung in Form einer automatisierten Verarbeitung personenbezogener Daten bezieht.
4. Obergrenze Zinssätze
Der Reformvorschlag der Europäischen Kommission führt mit Art. 31 die Möglichkeit ein, dass Mitgliedsstaaten eine Obergrenze für Zinsen einführen. Diese kann sich auf die Zinssätze, den effektiven Jahreszins oder den Gesamtbetrag eines Kredits für Verbraucher beziehen.
5. Ausbildungsanforderungen an Mitarbeiter und Vermittler
Ebenfalls werden die Anforderungen an die fachliche Ausbildung von kreditgebenden Mitarbeitern und Kreditvermittlern an die bereits bekannten Anforderungen aus der Wohnimmobilienkreditrichtlinie angepasst. Dieser Personenkreis hat in Zukunft Mindestanforderungen an Kenntnissen und Fähigkeiten nach Art. 33 Abs. 2 des Reformvorschlags zu erfüllen. Klare inhaltliche Vorgaben an diese Mindestanforderungen werden indes nicht gemacht, was zu unterschiedlichen Standards führen kann.
6. Anforderungen an Kreditgeber/Vermittler
Die Anforderungen an die Kreditgeber und Kreditvermittler werden verschärft. Diese sollen nach Art. 37 des Reformvorschlags ein angemessenes Zulassungsverfahren durchlaufen und Registrierungs- und Aufsichtsregeln der nationalen Aufsichtsbehörde(n) unterliegen.
Insgesamt enthält der Reformvorschlag viele Änderungen. Es bleibt abzuwarten, wann und in welcher Form die überarbeitete Verbraucherkreditrichtlinie final veröffentlicht wird und in nationales Recht umzusetzen ist. Es ist aber mit einem hohen verwaltungsaufwendigen Umsetzungsbedarf zu rechnen.
Handlungsbedarf
- Erste Analyse der bestehenden Regelungen und Prozesse im Hinblick auf mögliche Anforderungen der neuen Verbraucherkreditrichtlinie
- Verfolgung der weiteren Beratungen/Entwicklungen zur Verbraucherkreditrichtlinie im Europäischen Parlament