Hintergrund
ǀ Am 16. Dezember 2019 war eine aktualisierte Fassung des „Deutschen Corporate Governance Kodex“ (DCGK) veröffentlicht worden, die im März 2020 im Bundesanzeiger bekannt gemacht wurde. Der DCGK stellt über die Beschreibung gesetzlicher Vorschriften zur Leitung und Überwachung deutscher börsennotierter Gesellschaften hinaus international und national anerkannte Standards guter und verantwortungsvoller Unternehmensführung in Form von Empfehlungen und Anregungen dar. Er wird jährlich von der sogenannten „Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex“ überprüft.
Als Regelwerk erfordert der DCGK von den Vorständen und Aufsichtsräten der Gesellschaften – ebenfalls jährlich – eine sogenannte Entsprechenserklärung – im Sinne des Grundsatzes comply or explain (§ 161 AktG). Diese hat zwar außerhalb des Jahres- bzw. Konzernabschlusses zu erfolgen, im Anhang haben die Gesellschaften allerdings darauf hinzuweisen, dass sie diese Entsprechenserklärung abgegeben haben. An dieser Stelle kommt der Abschlussprüfer ins Spiel.
Zum IDW PS 345 n. F.
Weil der neu gefasste Kodex den bis dato geltenden Kodex in der Fassung vom 7. Februar 2017 ablöst, wurde auch eine Überarbeitung des IDW Prüfungsstandards „Auswirkungen des Deutschen Corporate Governance Kodex auf die Abschlussprüfung“ (IDW PS345) erforderlich. Dabei führte die Neufassung des Prüfungsstandards in erster Linie zu redaktionellen Anpassungen.
Die im Rahmen des Standards relevante Prüfungshandlung des Abschlussprüfers bezieht sich auf die o. g. Entsprechenserklärung, wobei im Anhang des Jahres- bzw. Konzernabschlusses nicht nur auf deren Existenz, sondern auch ihren Publikationsort zu verweisen ist, der öffentlich zugänglich sein muss (Lagebericht oder Website der Gesellschaft). Der Abschlussprüfer muss also nachvollziehen können, dass und wo die Entsprechenserklärung abgegeben wurde.
Dabei ist der Fokus der Prüfungshandlung nicht inhaltlich ausgerichtet; der Prüfer verfolgt also nicht die Frage, ob die mit dem DCGK einhergehenden Verhaltensempfehlungen auch umgesetzt werden. Es kann allerdings sein, dass er im Zuge der Prüfungsdurchführung auf Abweichungen von den Verhaltensempfehlungen stößt. Daher ist dem Standard eine zehnseitige „Übersicht über die Einzelregelungen des Deutschen Corporate Governance Kodex“ beigegeben, die ebenfalls aktualisiert wurde.
Neue Inhalte des DCGK
Die hohe Relevanz des DCGK für deutsche Unternehmen wird nicht zuletzt durch die breite und kontroverse Resonanz zu einigen Reformvorschlägen während der Konsultationsphase verdeutlicht. Daraus resultierte unter anderem eine deutliche Verschlankung des Kodex, die zu mehr Übersichtlichkeit und einer Vereinfachung in der praktischen Anwendung führen soll.
Neu ist auch, dass in den einzelnen Kapiteln des Kodex zwischen „Grundsätzen“, „Empfehlungen“ und „Anregungen“ unterschieden wird, sodass nunmehr 25 Grundsätze enthalten sind statt vormals nur Empfehlungen und Anregungen. – Dabei beziehen sich die Grundsätze 1–3 auf die Verantwortlichkeit des Vorstands für die Leitung und die strategische Ausrichtung des Unternehmens; hierbei wird dem Vorstand auch die Aufgabe zugewiesen, eine Zielgröße zur Förderung der Diversität zu erarbeiten.
Die Neufassung dient vor allem einer bewussten Schwerpunktsetzung, diese betrifft:
- Regelungen zur Vorstandsvergütung (Grundsatz 23 mit Empfehlungen G.1 ff.)
- Unabhängigkeit der Aufsichtsratsmitglieder (Empfehlungen C.6 ff.)
Weitere Neuerungen beziehen sich auf folgende Aspekte:
- Bestelldauer der Vorstände (Empfehlung B.1)
- Vereinfachung der Berichterstattung über Corporate Governance (Grundsatz 22)
- Beschränkung von Aufsichtsmandaten (Empfehlungen C.4 und C.5)
- Empfehlungen für die Hauptversammlung (Anregung A.4)
Über Akzeptanz und Anwendung des neuen DCGK
Zu der Frage, wie es sich eigentlich mit der Umsetzung des DCGK verhält, verweisen wir auf die Ergebnisse einer ersten Erhebung zu sowohl erklärter Akzeptanz als auch tatsächlicher Anwendung des Kodex, durchgeführt vom Berlin Center of Corporate Governance [1].
[1] Vgl. von Werder, Axel; Danilov, Kyrill; Schwarz, Pascal: Corporate Governance Report 2021:
Akzeptanz und Anwendung des neuen Kodex. In: Der Betrieb 37 (2001), S. 2097–2110.
Als zentrales Ergebnis lässt sich in Bezug auf die Regelungen des DCGK eine Gesamtbefolgungsquote von 85,0 (DAX: 95,3) Prozent festhalten. Der neue Kodex wird in der Praxis also gut angenommen und ist somit geeignet, das Vertrauen von Anlegern, Kunden, Belegschaft und Öffentlichkeit in eine verantwortungsvolle Leitung und Überwachung deutscher Unternehmen zu stärken. In diesem Sinne erweist sich der DCGK als probates Mittel, um die Interessen der Aktionäre zu bedienen und/oder Anlageentscheidungen potenzieller Investoren zu begründen.
Der DCGK und Banken
Bei börsennotierten Banken ist eine Besonderheit insofern gegeben, als die Jahresabschlussprüfung bei Kreditinstituten ohnehin Prüfungshandlungen zur Corporate Governance in Bezug auf § 25c und d KWG umfasst.
Insbesondere die jüngst aktualisierten BaFin-Merkblätter für Geschäftsleiter und Aufsichtsorgane, die der Konkretisierung der Anforderungen nach § 25 c und d KWG dienen (wir berichteten), machen eine detaillierte Auseinandersetzung mit den bankinternen Regelungen zur guten Unternehmensführung seitens des Abschlussprüfers erforderlich.
Auch die neuen Empfehlungen zur Vorstandsvergütung durch den DCGK (Grundsatz 23 mit Empfehlungen G.1 ff.) bleiben hinter den Anforderungen der für Banken geltenden Institutsvergütungsverordnung zurück. Die novellierten und wesentlich konkreter formulierten Empfehlungen des Kodex an die Unabhängigkeit von Aufsichtsratsmitgliedern (Empfehlungen C.6 ff.) bilden ebenfalls eine Teilmenge der Indizien für Interessenkonflikte nach Abschnitt II. 3. a) des BaFin-Merkblatts für Aufsichtsorgane. – Eine Ausnahme bildet hier die über den DCGK zusätzlich empfohlene Höchstmitgliedschaft im Aufsichtsorgan von zwölf Jahren. Diese dürfte für die meisten börsennotierten Banken jedoch von geringer Relevanz sein. – Die Empfehlungen zur Beschränkung von Aufsichtsmandaten (Empfehlungen C.4 und C.5) finden ebenfalls Niederschlag in den Anforderungen zu Mandatsbegrenzungen des Abschnitts II. 6.–8. des BaFin-Merkblatts.
Nicht Gegenstand bankaufsichtlicher Vorgaben sind die DCGK-Empfehlungen zur Bestelldauer der Vorstände (Empfehlung B.1), zur Vereinfachung der Berichterstattung über Corporate Governance (Grundsatz 22) sowie die Anregung für die Hauptversammlung (Anregung A.4).
Folglich ergeben sich für börsennotierte Banken durch den neuen DCGK insgesamt keine großen Herausforderungen im Sinne eines unüberschaubaren Mehraufwands. Stattdessen können die von den Banken zu erfüllenden hohen Anforderungen an die Corporate Governance einen Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen börsennotierten Unternehmen am Kapitalmarkt begründen, sofern sie auch tatsächlich zu einer nachhaltigen Wertschöpfung beitragen.
Handlungsbedarf
- GAP-Analyse bestehender Prozesse zur Erfüllung von bankaufsichtlichen und DCGK-Anforderungen hinsichtlich der Neuerungen des DCGK
- Anpassung interner Regelungen und Prozesse
- Optimierung von Investor-Relations-Aktivitäten