Steuerliche Behandlung von Erstausbildungskosten


Hintergrund:

Im Einkommensteuergesetz ist geregelt, dass Aufwendungen für eine Erstausbildung (erste Berufsausbildung oder Erststudium) keine Werbungskosten darstellen, sofern diese Erstausbildung nicht im Rahmen eines Dienstverhältnisses stattfindet. Stattdessen sind diese Aufwendungen betragsmäßig begrenzt als Sonderausgaben abzugsfähig (aktuell bis 6.000 EUR im Kalenderjahr).

Der wesentliche Unterschied zwischen dem Abzug als Werbungskosten und als Sonderausgaben liegt darin, dass nur im erstgenannten Fall ein negatives Ergebnis (Werbungskosten höher als die Einnahmen) im Rahmen eines Verlustvortrags in die Folgejahre übernommen werden kann und der Abzug von Werbungskosten betraglich nicht begrenzt ist. Dieser Verlustvortrag wirkt sich in den Folgejahren steuermindernd aus, wenn die Einnahmen die Werbungskosten übersteigen.

Die Sonderausgaben hingegen wirken sich nur im Jahr des tatsächlichen Ansatzes aus. Ein Verlustvortrag kann hieraus nicht entstehen. Ein Steuerminderungseffekt durch den Ansatz von Sonderausgaben ergibt sich demzufolge nur dann, wenn der betreffende Steuerpflichtige im Jahr des Abzugs auch tatsächlich steuerpflichtige Einkünfte über den Grundfreibetrag hinaus (aktuell 9.408 EUR) erzielt. Dies dürfte beispielsweise bei vielen Studierenden nicht der Fall sein.


BVerfG-Beschluss:

Diese steuerliche Regelung empfanden aber insbesondere zukünftige Berufspiloten/-innen aufgrund ihrer sehr kostenintensiven Ausbildung als unangemessen und klagten vor den Finanzgerichten. Der Bundesfinanzhof (BFH) als Revisionsinstanz legte die Frage der Anerkennung von Kosten für eine Erstausbildung als Werbungskosten dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) vor. Dieses entschied mit am 10. Januar 2020 veröffentlichtem Beschluss, dass die gesetzliche Regelung nicht gegen das Grundgesetz verstößt.

Das BVerfG argumentiert, dass der Gesetzgeber die Aufwendungen für eine Erstausbildung aufgrund einer privaten (Mit-)Veranlassung den Sonderausgaben zuordnen durfte. Eine Erstausbildung oder ein Erststudium unmittelbar nach dem Schulabschluss vermittle nicht nur reines Berufswissen, sondern präge eine Person in einem umfassenderen Sinne, indem allgemeine Kompetenzen erworben werden, die nicht zwangsläufig für einen konkreten Beruf notwendig seien. Es bestehe daher eine besondere Nähe zur Persönlichkeitsentwicklung, wodurch die Aufwendungen den allgemeinen Kosten der Lebensführung zuzuordnen seien. Verstöße gegen den Gleichheitssatz und das Willkürverbot seien nicht gegeben. Die Ausbildung zum/-r Flugzeugführer/-in habe zwar einen sehr konkreten Veranlassungszusammenhang zur späteren Erwerbstätigkeit, falle aber aufgrund der geringen Anzahl noch unter die Typisierungskompetenz des Gesetzgebers.


Ist die Regelung noch zeitgemäß?

Die rechtstheoretische Herleitung des Urteils und damit die Verfassungskonformität der gesetzlichen Regelung mögen zutreffend sein. Ob die Regelung allerdings im gegenwärtigen Kontext von immer größer werdenden Spezialisierungen bereits in der Ausbildung, von Studiengebühren und teurer werdendem Wohnraum insbesondere auch für Studierende am Studienort noch zeitgemäß und damit dem Normalbürger vermittelbar ist, darf bezweifelt werden.

Vielleicht ist es vonseiten der Politik an der Zeit, die Streitigkeiten um die steuerliche Behandlung von Studien- und Ausbildungskosten, womit sich bereits der Reichsfinanzhof 1937 („Lebenskampftheorie“) befasste, endgültig beizulegen. Eine Gleichbehandlung aller Ausbildungs- und Studienkosten wäre in der heutigen Wissensgesellschaft nicht nur gesellschaftlich wünschenswert, sondern auch im Sinne eines einfachen und ohne Abgrenzungsschwierigkeiten anwendbaren Steuerrechts.


Hinweise:

  • Ausbildungskosten im Rahmen eines Dienstverhältnisses (z. B. Berufsausbildung) oder einer Zweitausbildung bzw. eines Zweitstudiums nach vorheriger Erstausbildung sind steuerlich als Werbungskosten abzugsfähig.
  • Der Gesetzgeber hat zu diesem Zweck in § 9 Abs. 6 EStG definiert, welche Voraussetzungen eine Erstausbildung erfüllen muss, um steuerlich anerkannt zu werden (z. B. Mindestdauer von zwölf Monaten).
  • Der früher vor einer langen und kostenintensiven Ausbildung gern gemachte „Taxischein“ wird somit seit einigen Jahren nicht mehr als Erstausbildung anerkannt.
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