Für Mensch und Umwelt: Nachhaltige Unternehmensführung durch das Lieferkettengesetz

Lieferkettengesetz - Schaukeln an Ketten in Reihe aufgehängt

Hintergrund

| Viele Unternehmen sind in globale Wertschöpfungsketten eingebunden, was einen großen Mehrwert für die deutsche Wirtschaft mit sich bringt. Globale Wirtschaftsstrukturen bedeuten aber auch ein Mehr an Risiko für unsere Umwelt und die Einhaltung von Menschenrechten; schließlich weisen nicht alle Länder gleiche gesetzliche Schutzniveaus auf oder solche, die mit den eigenen Standards vergleichbar sind.

Um die Globalisierung sozial gerechter zu gestalten, hat die Bundesregierung 2016 den Nationalen Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte (NAP) verabschiedet. Das sogenannte Lieferkettengesetz – mit vollem Namen „Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten zur Vermeidung von Menschenrechtsverletzungen in Lieferketten (Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz – LkSG)“ – fügt sich in die Gesamtstrategie des NAP ein und stellt einen wichtigen Meilenstein für Menschenrechte, Umwelt und Klimaschutz dar: Erstmalig gibt es ein Gesetz, das die unternehmerische Verantwortung für nachhaltige Lieferketten regelt. In Kraft ist es seit dem 1. Januar 2023.

Während der NAP sich an alle in Deutschland ansässigen Unternehmen richtet, gilt das Lieferkettengesetz aktuell (noch) für deutsche Unternehmen mit mehr als 3.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Ab dem 1. Januar 2024 ist es auch für Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bindend, was die Anzahl der betroffenen Unternehmen deutlich – von ca. 900 auf rund 4.800 Unternehmen – erhöht.

Grundlegendes zum LkSG – Risiken, Lieferkette, Geltungsbereich

Mit dem Gesetz werden die besagten Unternehmen verpflichtet, in ihren Lieferketten Sorgfaltspflichten umzusetzen, die zu einer Verbesserung der internationalen Menschenrechts- und Umweltlage beitragen sollen. Ein menschenrechtliches bzw. umweltbezogenes Risiko ist gemäß LkSG ein „Zustand, bei dem aufgrund tatsächlicher Umstände mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein Verstoß gegen eines der folgenden Verbote droht“ (§ 2 Abs. 2 bzw. 3 LkSG):

Menschenrechtliche Risiken

  • Kinderarbeit
  • Zwangsarbeit
  • Formen von Sklaverei
  • Mangelnder Arbeitsschutz
  • Missachtung der Koalitionsfreiheit

Umweltbezogene Risiken

  • Verwendung von Quecksilber(-verbindungen) bei der Herstellung von Produkten; unsachgemäße Behandlung von Quecksilberabfällen
  • Produktion und Verwendung von Chemikalien
  • Nicht umweltgerechte Handhabung, Sammlung, Lagerung und Entsorgung von Abfällen; v. a. Ein- und Ausfuhr gefährlicher Abfälle

Zu beachten ist, dass die Vorgaben des LkSG zwar eine Bemühenspflicht begründen, im Rahmen dieser aber weder abgesichert werden muss, dass die Bemühungen auch zum gewünschten Erfolg führen, noch garantiert werden kann, dass die Lieferkette auch tatsächlich frei von Menschenrechtsverletzungen oder Schäden für die Umwelt ist; vgl. Deutscher Bundestag: Entwurf eines Gesetzes über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten in Lieferketten (Drucksache 19/28649), 19.04.2021, S. 41. Die Kontrolle dieser Bemühungen obliegt dem Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA).

Als Lieferkette definiert das Gesetz „alle Schritte im In- und Ausland, die zur Herstellung der Produkte und zur Erbringung der Dienstleistungen erforderlich sind, angefangen von der Gewinnung der Rohstoffe bis zu der Lieferung an den Endkunden“ (§ 2 Abs. 5 LkSG). Demnach ergeben sich zwei Geltungsdimensionen, die sich durch alle Anforderungen des Gesetzes ziehen: das Handeln eines Unternehmens im eigenen Geschäftsbereich sowie das Handeln der (un)mittelbaren Zulieferer.

Mehr Verantwortung – mehr zu tun! Die Sorgfaltspflichten des Lieferkettengesetzes

Bestenfalls schafft es das LkSG, die Verletzung menschenrechts- oder umweltbezogener Pflichten in globalen Lieferketten zu beenden – mindestens intendiert es, den entsprechenden Risiken vorzubeugen oder sie zu minimieren, um zu einem besseren Menschenrechts- und Umweltschutz beizutragen. In diesem Sinne umfasst das Gesetz neun spezifische Sorgfaltspflichten; vgl. §§ 4–10 LkSG:

  1. Risikomanagement
  2. Zuständigkeit
  3. Risikoanalyse
  4. Grundsatzerklärung
  5. Präventionsmaßnahmen
  6. Abhilfemaßnahmen
  7. Beschwerdeverfahren
  8. Sorgfaltspflichten bei mittelbaren Zulieferern
  9. Dokumentation und Berichterstattung

Basis jeder Bemühungen ist ein unternehmensindividuell ausgeprägtes Risikomanagement, das hinsichtlich seiner Angemessenheit und Wirksamkeit von einer betriebsintern zuständigen und verantwortlichen Person überwacht wird, die sich auch um die Erfüllung der Dokumentations- und Berichtspflichten kümmert. Die Abhilfemaßnahmen greifen erst, wenn es bereits zu einer Verletzung menschenrechts- oder umweltbezogener Pflichten gekommen ist. Womöglich – bestenfalls – tritt dieser Fall nicht ein, weil die Präventionsmaßnahmen es verhindern. Diese müssen von einer Grundsatzerklärung des Unternehmens über seine Menschenrechtsstrategie begleitet werden und zu den unternehmensspezifischen Risiken passen. Bei ihrer Erfassung kann das Beschwerdeverfahren helfen, im Rahmen dessen Personen auf Pflichtverletzungen hinweisen können. Zentrales Element und daher eine Kernanforderung des Gesetzes ist jedoch die Risikoanalyse gemäß § 5 LkSG.  

Risikoanalyse als Kernelement einer nachhaltigen Risikovorsorge

Um die menschenrechtlichen und umweltbezogenen Risiken zu ermitteln, ist sowohl für die Unternehmen selbst als auch für die (un)mittelbaren Zulieferer regelmäßig eine angemessene Risikoanalyse durchzuführen. Damit eine Risikoanalyse als angemessengilt, sollte ihr Prozess zur Ermittlung, Gewichtung und Priorisierung der Risiken systematisch erfolgen, nachvollziehbar sein und sich an den Angemessenheitskriterien aus § 3 Abs. 2 LkSG orientieren.

Die ‚mentale Herausforderung‘ bei einer Risikoanalyse im Rahmen des LkSG besteht neben der Verschaffung eines Überblicks vor allem darin, auf das zu verzichten, was gemeinhin sonst getan wird: also gerade nicht danach zu fragen, wie sich menschenrechtliche und umweltbezogene Risiken auf den Geschäftserfolg auswirken, sondern – im Sinne eines Perspektivwechsels – die Bedürfnisse und Interessen der eigenen Beschäftigten, solcher innerhalb der Lieferketten oder anderweitig betroffener Menschen in den Blick zu nehmen.

Umso hilfreicher sind die Handreichungen der BAFA, von denen die nachfolgend genannte diverse Übersichten bietet, in denen die einzelnen Schritte der Risikoanalyse jeweils einer Vorgehensweise und beispielhaften Ergebnissen zugeordnet werden; vgl. BAFA: Handreichung zur Umsetzung einer Risikoanalyse nach den Vorgaben des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes. 1. Aufl. August 2022, S. 12–17. Deutlich wird, dass der für alle Szenarien (regelmäßige vs. anlassbezogene Risikoanalyse, eigener Geschäftsbereich vs. unmittelbare/mittelbare Zulieferer) empfohlene Weg vom Allgemeinen zum Speziellen führt: Demnach empfiehlt es sich, die menschenrechtlichen oder umweltbezogenen Risiken zunächst abstrakt zu betrachten, um den eigenen Geschäftsbereich zu fokussieren, für den vor allem branchen- und länderspezifische Risiken ausschlaggebend sind. Im Weiteren können die Risiken konkret ermittelt werden, indem sie unter Berücksichtigung der in § 3 Abs. 2 genannten Angemessenheitskriterien im spezifischen Kontext der jeweiligen Gesellschaften, Filialen oder Standorte beleuchtet werden.

Handlungsbedarf

Allgemein

  • Auseinandersetzen: Beschäftigung mit Anforderungen des Lieferkettengesetzes unter Rückgriff auf die Handreichungen des BAFA (s. hier)
  • Handeln: Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sollten die Umsetzung der Sorgfaltspflichten vorbereiten sowie intern – im Sinne einer begleitenden Maßnahme – für das Thema sensibilisieren, ggf. dazu schulen.
  • Mehrwert schaffen: Nutzbarmachung neuer nachhaltigkeitsbezogener Kompetenzen für das jeweilige Kerngeschäft

Fokus Kreditinstitute

  • Institute als Einkäufer von Dienstleistungen – direkte Betroffenheit: Kreditinstitute, die ab 2024 vom LkSG betroffen sind, sollten ihre in den Anwendungsbereich des LkSG fallenden Dienstleistungen identifizieren, z. B. extern beschaffte Dienstleistungen für die IT oder das Personalwesen, und die entsprechenden Gesetzesvorgaben umsetzen.
  • Institute als Kreditgeber und Investoren – indirekte Betroffenheit: Für den Fall, dass ein vom LkSG betroffenes Unternehmen Informationen zum Umgang mit menschenrechts- und umweltbezogenen Risiken erbittet, sollten Kreditinstitute eine entsprechende standardisierte Erklärung vorhalten.
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