Gegenstand
ǀ Prämiensparverträge sind langfristige Sparformen mit variabler Verzinsung und gleichbleibender Sparleistung. Solche Verträge wurden von vielen Banken und Sparkassen in den 1990er bis 2010er Jahren mit Klauseln versehen, die ihnen das Recht einräumten, die zugesicherte Verzinsung einseitig abzuändern, ohne dass hierfür ein Referenzzinssatz festgelegt war. Dies eröffnete den Kreditinstituten einen unbegrenzten Ermessensspielraum zulasten des Kunden.
Urteile
Eine derartige Vertragsgestaltung hatte der Bundesgerichtshof (BGH) 2004 im Falle langfristig angelegter Sparverträge für unwirksam erklärt (vgl. BGH-Urteil vom 17. Februar 2004 – XI ZR 140/03). Am 6. Oktober 2021 hat der BGH die bisherige Rechtsprechung bestätigt und entschieden, dass weite Zinsanpassungsklauseln in Prämiensparverträgen ebenfalls unwirksam sind (Az. XI ZR 234/20).
Entwicklung
Schon im Februar 2020 (wir berichteten) empfahl die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) den Kreditinstituten, auf Kunden mit entsprechenden Prämiensparverträgen zuzugehen, um eine Einigung über die Zinsanpassung anzustoßen.
Nach einem erfolglosen runden Tisch mit Verbänden der Kreditwirtschaft und Verbraucherschutzorganisationen startete die BaFin im Januar 2021 eine Anhörung zu einer Allgemeinverfügung (wir berichteten). Im Sinne des Verbraucherschutzes sollte diese alle Kreditinstitute i. S. d. § 1 Abs. 1 KWG dazu verpflichten, Prämiensparkunden über unwirksame Zinsanpassungsklauseln zu informieren und ihnen in der Folge entweder unwiderruflich eine Zinsnachberechnung zuzusichern oder einen Änderungsvertrag mit einer wirksamen Zinsanpassungsklausel anzubieten.
Diese Allgemeinverfügung wurde am 21. Juni 2021 veröffentlicht (vgl. hier), woraufhin mehr als 1.100 Institute Widerspruch einlegten.
Aktuell
Im Zuge seines Urteils spricht sich der BGH für eine monatliche Zinsanpassung nach der Verhältnismethode aus, weil mittels dieser Methode der anfängliche, relative Abstand eines Vertragszinssatzes zum Referenzzinssatz beibehalten werden kann. Noch nicht geklärt ist, welcher konkrete Referenzzinssatz dafür zugrunde liegen soll. Für dessen Festlegung ist nun das Oberlandesgericht Dresden zuständig; der BGH empfiehlt in diesem Zusammenhang einen Zinssatz für langfristige Spareinlagen, der von der Deutschen Bundesbank erhoben und monatlich veröffentlicht wird.
Die BaFin hat nun im Einzelnen zu prüfen, welche Auswirkungen das BGH-Urteil auf die Widerspruchsverfahren hat. Folgendes verfahrensökonomische Vorgehen ist geplant:
- Initiale und vorrangige Entscheidung über einzelne Widersprüche
- Führen verwaltungsgerichtlicher Musterverfahren bzgl. dieser Widersprüche
- Abschluss der übrigen Widerspruchsverfahren auf Basis der Rechtsprechung in den Musterverfahren
Bis zum Abschluss der Widerspruchsverfahren muss kein Kreditinstitut, das widersprochen hat, die Allgemeinverfügung erfüllen.
In Verbraucher-Richtung weist die BaFin allerdings darauf hin, dass individuelle Ansprüche von betroffenen Prämiensparkunden bis dahin verjähren könnten und empfiehlt diesen daher, die Ansprüche auf eine ordnungsgemäße Verzinsung selbst geltend zu machen – auf zivilrechtlichem Wege über die Verbraucherzentrale oder über Rechtsanwälte. Hierauf sollten alle Kreditinstitute vorbereitet sein.
Handlungsbedarf
- Überprüfen Sie, ob in Ihrem Hause noch alte, weite Zinsanpassungsklauseln bei Prämiensparverträgen verwendet werden und entsprechende Ansprüche der Kunden noch nicht verjährt sind.
- Falls ja: Entscheiden Sie, ob Sie mit Ihren Kunden in Kontakt treten möchten, um eine Einigung zu erzielen, und prüfen Sie in diesem Zusammenhang auch die Bildung von Rückstellungen.