Jetzt final: Das neue Risikoreduzierungsgesetz


Hintergrund:

Aufgrund der Finanzmarktkrise in den Jahren 2007 und 2008 sind seit 2010 im Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht umfangreiche Maßnahmen zur Stärkung der Eigenkapital- und Liquiditätsstandards für international tätige Banken beschlossen worden, um die Widerstandskraft von Banken auch in Krisenfällen zu erhöhen und das Risikomanagement zu verbessern. In den vergangenen Jahren wurden darüber hinaus weitere Reformen und Maßnahmen auf europäischer Ebene (EU-Bankenpaket) beschlossen und umgesetzt (u. a. Basel III (CRR und CRD IV), TLAC-Standard).

Am 7. August 2020 hatte das Bundeskabinett den Gesetzesentwurf zur Umsetzung der Richtlinien (EU) 2019/878 und (EU) 2019/879 zur Reduzierung von Risiken und zur Stärkung der Proportionalität im Bankensektor, das sogenannte Risikoreduzierungsgesetz (RiG) beschlossen. Das RiG setzt vor allem die europäischen Richtlinien CRD V und BRRD II sowie CRR II und SRMR II, die zum EU-Bankenpaket aus 2019 gehören, in deutsches Recht um.

Seit dem 28. Dezember 2020 sind die aus dem RiG resultierenden Änderungen im Kreditwesengesetz (KWG), Sanierungs- und Abwicklungsgesetz (SAG) und in der Einlagensicherung analog zur 3. Verordnung zur Änderung der SolvV und der InstitutsVergV anzuwenden (vgl. hierzu unser Beitrag vom 2. März 2021).


Auswirkungen auf das KWG:

Mit dem RiG werden die Vorgaben im KWG zur Risikoträgeridentifizierung durch Implementierung neuer Regeln zum Verschuldungspuffer ausgeweitet und ein Zulassungsverfahren für Mutterfinanzholdinggesellschaften eingeführt. Die Vorschrift zur Anordnung erhöhter Eigenmittelanforderungen im Rahmen des aufsichtlichen Überprüfungs- und Bewertungsprozesses (Supervisory Review and Evaluation Process: SREP) wird durch das RiG konkretisiert, eine Eigenmittelempfehlung wird im Gesetz verankert und große Drittstaatengruppen im Europa-Geschäft werden dazu verpflichtet, zwischengeschaltete EU-Mutterunternehmen zu gründen.


Risikoträgeridentifizierung

Alle CRR-Institute müssen künftig, unabhängig von ihrer Größe, bestimmte Personengruppen identifizieren – u. a. Geschäftsleiter, Aufsichtsräte und Mitarbeiter mit Managementverantwortung für die wesentlichen Geschäftsbereiche des Instituts. Bedeutende Institute haben darüber hinaus auch außerhalb dieser Personengruppen Risikoträger zu identifizieren.


Einführung einer Verschuldungsobergrenze für Banken

Ab dem 28. Juni 2021 wird durch die CRR II eine verbindliche Säule-I-Anforderung eingeführt. Die Leverage Ratio wird auf drei Prozent der angepassten Bilanzsumme festgelegt und muss in Kernkapital gehalten werden.

Das RiG regelt im Einklang mit der CRD V, dass global systemrelevante Institute (G-SRI) einen zusätzlichen Leverage-Ratio-Puffer ab dem 1. Januar 2023 bilden müssen. Dieser Aufschlag beträgt 50 Prozent ihres risikobasierten G-SRI-Puffers auf die Verschuldungsquote von drei Prozent.

Die strukturelle Liquiditätsquote (Net Stable Funding Ratio: NSFR), welche die stabile Refinanzierung über den Zeitraum von einem Jahr stärkt, wird eingeführt.


Änderung der Organkreditvorschriften

Hier führt das Risikoreduzierungsgesetz zu einer erheblichen Erweiterung der Anforderungen:

  • Der persönliche Anwendungsbereich bezieht künftig auch Eltern und volljährige Kinder mit ein.
  • Künftig wird auf den Begriff der „bedeutenden Beteiligung“ abgestellt.
  • Der sachliche Anwendungsbereich wird durch den neuen § 15 Abs. 6 KWG auf Geschäfte erweitert, die keine Kredite sind (sonstige Geschäfte). Somit sind die Anforderungen nicht nur für Kreditgeschäfte, sondern auch für sonstige Geschäfte zu erfüllen.
  • Geschäftsleiter und Mitglieder des Aufsichtsorgans, bei denen ein Interessenkonflikt besteht, dürfen nicht an der Beschlussfassung und deren Vorbereitung teilnehmen.


Auswirkungen auf das SAG:

Durch das RiG ändert sich im SAG die zentrale Größe der Minimum Requirement on own funds and eligible liabilities (MREL), welche die Abwicklungsfähigkeit von Instituten öffentlichen Interesses im Krisenfall verbessert. Darüber hinaus werden damit einhergehende Pflichten angepasst. So ist beispielsweise auch die wirksame Abwicklung einer Gruppe durch die Vorgaben des RiG sichergestellt. Hier müssen die Abwicklungseinheiten u. a. konsolidierte MREL-Anforderungen für die gesamte Abwicklungsgruppe mit Eigenmitteln und Verbindlichkeiten gegenüber externen Gläubigern erfüllen. Zudem erhält die Abwicklungsbehörde umfangreiche Befugnisse, um auf Verstöße gegen die MREL-Anforderungen reagieren zu können. Hinzu kommen weitere Befugnisse der Abwicklungsbehörde, die sich u. a. auf Zahlungs- oder Lieferverpflichtungen einer Bank beziehen.

Zusätzliche Nachranganforderungen sind von großen Banken mit einer Bilanzsumme von über 100 Milliarden Euro einzuhalten.


Auswirkungen auf die Einlagensicherung:

Das RiG stößt eine Veränderung bei den gesetzlichen Entschädigungseinrichtungen an, welche die Beendigung der Beleihung der Entschädigungseinrichtung des Bundesverbandes Öffentlicher Banken Deutschlands GmbH (EdÖ) vorsieht. Zukünftig wird es daher nur noch die Entschädigungseinrichtung deutscher Banken GmbH (EdB) geben, die ein stabileres Einlagensicherungssystem sicherstellen soll.

Darüber hinaus besonders erwähnenswert sind die Schaffung einer Definition für „kleine, nicht komplexe Institute“ im RiG und die Übergangsvorschrift für Wertpapierfirmen, die in den Anwendungsbereich der Investmentverordnung (EU) 2019/2033 fallen.


Kleine, nicht komplexe Institute

Für kleine, nicht komplexe Institute (kleine und mittlere Geschäftsbanken sowie Förderbanken) sind administrative Erleichterungen (u. a. für die Offenlegungspflichten und die vereinfachte Berechnungsmethode der strukturellen Liquiditätsquote (simplified NSFR)) geschaffen worden. Aufgrund der Besonderheiten ihres Geschäftsmodells sind rechtlich selbstständige Förderbanken vom Anwendungsbereich der europäischen Bankenregulierung ausgenommen.


Wertpapierfirmen

Wertpapierfirmen erhalten ab dem 26. Juni 2021 mit dem Wertpapierinstitutsgesetz (WpIG) ein eigenes Aufsichtsregime, sodass zwischen dem 29. Dezember 2020 und dem 26. Juni 2021 überwiegend das KWG, und zwar in der bis zum 28. Dezember 2020 geltenden Fassung, für sie anwendbar ist. Darüber hinaus sieht das RiG in Bezug auf das WpHG punktuell Änderungen vor, sodass gemäß des neu eingeführten § 65b WpHG für nachrangige berücksichtigungsfähige Verbindlichkeiten nach § 2 Abs. 3 Nr. 40a SAG sowie relevante Kapitalinstrumente nach § 2 Abs. 2 SAG grundsätzlich eine Mindeststückelung von 50.000 EUR gilt, wenn Banken sie an Privatkunden vertreiben.


Handlungsbedarf:

Prüfen Sie, ob die Anforderungen nach dem Risikoreduzierungsgesetz für Ihr Institut anwendbar sind.

Ggf. sind

  • umgehend betroffene Abteilungen zu sensibilisieren,
  • Anpassungen in der schriftlich fixierten Ordnung vorzunehmen (z. B. Kredithandbuch),
  • Abfragen bei bestehenden Risikoträgern durchzuführen
  • neue Risikoträger zu identifizieren,
  • neue Organkreditbeziehungen zu erheben
  • oder Organkredite zu erfassen.
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