IDW S 16: Anforderungen an Krisenfrüherkennung und Krisenmanagement nach § 1 StaRUG

Symbolbild: Gewitterhimmel mit Blitz symbolisiert Anforderungen an Krisenfrüherkennung und Krisenmanagement

Mit dem Standard IDW S 16 konkretisiert das Institut der Wirtschaftsprüfer (IDW) die gesetzlichen Anforderungen an Krisenfrüherkennung und Krisenmanagement nach § 1 des Gesetzes über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (StaRUG). Die Vorgaben richten sich an Geschäftsleiter haftungsbeschränkter Unternehmensträger und geben Orientierung, wie Risiken, die den Fortbestand eines Unternehmens gefährden können, frühzeitig erkannt und adäquate Gegenmaßnahmen eingeleitet werden sollen.

Rechtlicher Rahmen und Verantwortlichkeiten

§ 1 StaRUG verpflichtet die Leitungsorgane bestimmter Rechtsträger, Entwicklungen mit potenziell existenzgefährdenden Auswirkungen fortlaufend zu überwachen. Die Norm gilt für sämtliche haftungsbeschränkten Unternehmensträger, darunter Kapitalgesellschaften, Stiftungen, juristische Personen des öffentlichen Rechts und Idealvereine.

Die Pflicht zur systematischen Risikoüberwachung existierte bereits vor Inkrafttreten des StaRUG, insbesondere für Aktiengesellschaften über § 91 Abs. 2 AktG. Mit dem StaRUG wurde jedoch erstmals eine einheitliche, rechtsformübergreifende Regelung geschaffen.

Der IDW-Standard dient als Fachkonzept für die Ausgestaltung dieser gesetzlichen Pflichten und richtet sich sowohl an Geschäftsleiter als auch an beratende Berufsträger wie Wirtschaftsprüfer, Rechtsanwälte und Steuerberater.

Grundlagen: Ziele der Krisenfrüherkennung

Zentrales Ziel der Krisenfrüherkennung ist die rechtzeitige Identifikation von Entwicklungen, die ohne Gegenmaßnahmen zu einer Gefährdung des Unternehmensfortbestands führen könnten. Die Leitungsebene muss:

  • Risiken kontinuierlich beobachten,
  • mögliche Fortbestandsgefährdungen einordnen,
  • geeignete Maßnahmen einleiten,
  • die Überwachungsorgane unverzüglich informieren.

Ein funktionierender Prozess setzt voraus, dass die Geschäftsleitung die wirtschaftliche Lage regelmäßig und anhand belastbarer Informationen beurteilen kann.

Eine wesentliche Grundlage bildet eine aktuelle und plausible Unternehmensplanung, die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage abbildet. Ohne entsprechende Planung können fortbestandsrelevante Risiken nicht rechtzeitig erkannt werden.

Fortbestandsgefährdende Entwicklungen

Fortbestandsgefährdend sind Entwicklungen, die zu erheblichen Beeinträchtigungen der wirtschaftlichen Lage führen und Insolvenzeröffnungsgründe nach §§ 17–19 InsO auslösen können. Solche Risiken können entstehen durch:

  • Finanzwirtschaftliche Faktoren, z. B. Abhängigkeit von kurzfristiger Finanzierung, Covenant-Verstöße oder deutliche Ratingverschlechterungen,
  • Betriebliche Veränderungen, etwa Verlust von Schlüsselkunden, Ausfall wichtiger Lieferanten, Kündigung zentraler Verträge,
  • Externe Einflussfaktoren, z. B. regulatorische Eingriffe oder rechtliche Änderungen.

Risikofaktoren können einzeln oder im Zusammenwirken wirksam werden. Ebenso ist es möglich, dass positive Effekte gegenläufige Entwicklungen kompensieren.

Elemente einer wirksamen Krisenfrüherkennung

Die Krisenfrüherkennung umfasst sämtliche organisatorischen und prozessualen Maßnahmen zur frühzeitigen Erkennung bestandsgefährdender Risiken. Sie verbindet Risikoüberwachung, Unternehmensplanung und interne Kommunikation.

Unternehmensplanung als Kernbestandteil

Eine belastbare Planung ist unverzichtbar, unabhängig von Rechtsform oder Unternehmensgröße. Sie muss auf plausiblen Annahmen beruhen und die zukünftige wirtschaftliche Entwicklung mit angemessenem Detailgrad abbilden.

Wesentliche Punkte sind:

  • Ex-ante-Beurteilung anhand nachvollziehbarer Annahmen,
  • kontinuierliche Aktualisierung insbesondere in Krisensituationen,
  • Abbildung der wirtschaftlichen Einheit auf Ebene des jeweiligen Rechtsträgers,
  • Mindestplanungszeitraum von zwölf Monaten, zweckmäßig häufig länger.

Dokumentation ist erforderlich, um die Erfüllung der gesetzlichen Pflichten später nachweisen zu können.

Aufbau eines systematischen Prozesses

Ein wirksamer Prozess der Krisenfrüherkennung beinhaltet u. a.:

  • Risikokultur: Grundhaltung der Leitungsorgane zum Umgang mit Risiken.
  • Risikoidentifikation: regelmäßige Erfassung aller relevanten Risiken anhand einer ganzheitlichen Betrachtung.
  • Risikobewertung: Analyse der Eintrittswahrscheinlichkeit und möglichen Auswirkungen, einschließlich Aggregation mehrerer Risiken.
  • Risikosteuerung: Ableitung und Umsetzung geeigneter Gegenmaßnahmen.
  • Risikokommunikation: zeitnahe Information der Geschäftsleitung und der Überwachungsorgane.
  • Überwachung und Verbesserung: Soll-Ist-Abgleiche, Anpassung der Planung und Optimierung des Prozesses.

Szenarioanalysen oder Sensitivitätsrechnungen sind insbesondere in unsicheren oder krisenhaften Phasen sinnvoll.

Krisenmanagement bei erkannten Gefährdungen

Sobald sich fortbestandsgefährdende Risiken verdichten, ist ein strukturiertes Krisenmanagement einzuleiten. Dazu gehören insbesondere:

  • Analyse der wirtschaftlichen Ausgangslage,
  • Bestimmung des Krisenstadiums,
  • Entwicklung eines tragfähigen Zielbilds für das Unternehmen,
  • Identifikation geeigneter Maßnahmen zur Stabilisierung und Sanierung,
  • Erstellung eines integrierten Unternehmensplans zur Bewertung der Wirksamkeit der Maßnahmen.

Die Schritte orientieren sich an den grundlegenden Anforderungen eines Sanierungskonzepts nach IDW S 6, wobei die formalen Anforderungen des S 6 nicht zwingend vollständig umzusetzen sind.

Liegt ein Insolvenztatbestand vor, trifft die Geschäftsleitung die Pflicht zum Insolvenzantrag.

Skalierung: Anforderungen für kleinere Unternehmen

§ 1 StaRUG gilt für Unternehmen sämtlicher Größenklassen. Der Umfang der erforderlichen Strukturen richtet sich jedoch nach Komplexität und Risikosituation des Unternehmens.

Für weniger komplexe Unternehmen gilt:

  • Eine vereinfachte, aber den gesetzlichen Pflichten entsprechende Unternehmensplanung ist ausreichend.
  • Die Dokumentation kann schlanker ausfallen, muss aber Nachvollziehbarkeit sicherstellen.
  • Bei überschaubaren Unternehmensstrukturen kann bereits eine regelmäßige Liquiditätsplanung den gesetzlichen Anforderungen genügen.
  • Die Elemente des Krisenmanagements sind ebenfalls anzuwenden, jedoch mit geringerem Umfang.

Auch bei kleinen Unternehmen bleibt die Verpflichtung bestehen, bei Krisenanzeichen aktiv zu handeln und Risiken fortlaufend zu überwachen.

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