Die verzögerte Umsetzung der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) in deutsches Recht könnte weitreichende Konsequenzen für die Berichterstattungspflichten großer Unternehmen in den Geschäftsjahren 2024 und 2025 haben. Insbesondere vor dem Hintergrund der unklaren politischen Lage nach dem Ende der Regierungskoalition rücken die potenziellen Auswirkungen dieser Verzögerung auf die nicht finanzielle Berichterstattung und deren Prüfung in den Fokus. Mit Blick auf Banken und Finanzdienstleister sind strategische Maßnahmen gefragt, um mögliche Unsicherheiten und Rechtsrisiken zu adressieren. Im Folgenden werden die zentralen Aspekte und Konsequenzen dieser Entwicklungen betrachtet.
Status quo: Aktuelle Rechtslage bleibt vorerst maßgeblich
Wenn das Gesetz zur Umsetzung der CSRD (CSRD-UmsG) nicht bis zum 31. Dezember 2024 verabschiedet wird, bleibt der durch das CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz (CSR-RUG) von 2017 geschaffene Rahmen weiterhin in Kraft. Dies bedeutet:
- Betroffene Unternehmen: Große, haftungsbeschränkte, kapitalmarktorientierte Unternehmen, große Kreditinstitute sowie Versicherer mit mehr als 500 Mitarbeitenden im Jahresdurchschnitt.
- Berichterstattungspflichten: Die nicht finanzielle Berichterstattung erfolgt gemäß §§ 289b–e, §§ 315b, 315c sowie spezifischer Vorschriften für Finanzinstitute (§§ 340a, 340i, 341a, 341j HGB).
- Prüfung: Es bleibt bei einer formellen Prüfung durch den Abschlussprüfer (§ 317 Abs. 2 Satz 4 HGB). Eine inhaltliche Prüfung ist weiterhin Aufgabe des Aufsichtsrats, der jedoch freiwillig eine externe Überprüfung beauftragen kann.
Keine automatische Anwendung der CSRD
Als EU-Richtlinie entfaltet die CSRD keine unmittelbare Wirkung auf Unternehmen in den Mitgliedsstaaten. Ohne nationale Umsetzung bleiben die Unternehmen an die geltenden nationalen Vorschriften gebunden. Eine Rückwirkung auf abgeschlossene Geschäftsjahre ist aufgrund des Rückwirkungsverbots (Art. 20 GG) ausgeschlossen – hingegen wäre eine unechte Rückwirkung auf das laufende Geschäftsjahr 2025 bei einer späten Umsetzung möglich und rechtlich zulässig.
Erfüllung der Berichtspflichten: Nutzung der ESRS möglich
Auch ohne CSRD-Umsetzung können Unternehmen die European Sustainability Reporting Standards (ESRS) zur Erfüllung ihrer Berichtspflichten für das Geschäftsjahr 2024 nutzen, da die ESRS als europäische Verordnungen unmittelbar gelten. Die angewendeten Standards und Berichtsinhalte sind dabei klar zu benennen.
Es bleibt jedoch unberührt, dass auch die Berichterstattungspflichten nach Artikel 8 der EU-Taxonomie-Verordnung erfüllt werden müssen.
Prüfungsleistungen und der Fee Cap: Ausnahmen und Anreize
Prüfungsleistungen zur Nachhaltigkeitsberichterstattung für das Jahr 2024 sind vom sogenannten Fee Cap ausgenommen. Dies gilt insbesondere dann, wenn diese Leistungen im Vorgriff auf eine CSRD-konforme Berichterstattung erbracht werden. Gleichzeitig bleiben Beratungs- und Unterstützungsleistungen, die keine Prüfung der Berichterstattung darstellen, weiterhin dem Fee Cap unterworfen.
Fazit: Proaktive Strategien erforderlich
Die ausstehende CSRD-Umsetzung führt zu Unsicherheiten, verlangt aber zugleich eine strategische Vorbereitung. Unternehmen sollten:
- Die Rechtslage beobachten: Entwicklungen im Gesetzgebungsverfahren genau verfolgen
- Berichtspflichten planen: Sich frühzeitig mit den ESRS vertraut machen und deren Anwendung in Erwägung ziehen
- Interne oder externe Prüfungen initiieren: Gezielte Prüfungsleistungen (insbesondere auch durch die Interne Revision) im Vorgriff auf kommende Anforderungen bzw. im Hinblick auf den aktuellen Umsetzungsstand im CSRD-Projekt einplanen
- Eine ausreichende Unterstützung des Aufsichtsrats sicherstellen: Möglichkeiten einer externen Prüfung zur Erfüllung der Überwachungspflichten des Aufsichtsrats prüfen
Mit einer frühzeitigen Anpassung an die kommenden Standards können betroffene Banken und Finanzdienstleister nicht nur Rechtsrisiken minimieren, sondern auch ihre Position in einer zunehmend nachhaltigkeitsorientierten Finanzlandschaft stärken.
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